Gestern habe ich mein akademisches Meisterstück (die Habilitation) zusammengefasst. Heute will ich berichten, was ich in meinem akademischen Gesellenstück, der Doktorarbeit, untersucht und herausgefunden habe. Die Arbeit trägt den Titel Romania Gallica Cisalpina: Etymologische-geolinguistische Studien zu den oberitalienisch-rätoromanischen Keltizismen. Der Stil des Titels entspricht akademischen Gepflogenheiten. Er sollte dem Nicht-Sprachwissenschaftler erst einmal kurz erläutert werden.
- Romania = die Gebiete, in denen eine romanische (= vom Lateinischen) abstammende Sprache gesprochen wird
- Gallica = gallisch (eine keltische Volks- und Sprachgruppe)
- Cisalpina = diesseits (= südlich) der Alpen
- etymologisch = die Wortgeschichte betreffend
- geolinguistisch = sprachgeographisch, die geographische Verbreitung eines sprachlichen Phänomens betreffend
- oberitalienisch = norditalienisch
- rätoromanisch = die an das Norditalienische angrenzenden Gebiete, deren Sprache eindeutig romanisch ist, die man aber aufgrund ihrer Eigenständigkeit nicht mehr als norditalienisch bezeichnen kann (allerdings kann man die drei Gebiete Graubünden, die Dolomitentäler und Friaul auch nicht als echte Einheit ansehen; ihre Schnittmenge besteht eher darin, nicht-italienisch zu sein)
- Keltizismen = Wörter, die aus dem Keltischen entlehnt worden sind
Während der keltische Wortschatz in der Gallia Transalpina (Frankreich) bereits mehrfach in sprachhistorischen Arbeiten beleuchtet wurde, ist den Keltizismen in der Cisalpina nicht die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet worden. Diese Studie unterzieht alle Wörter der Transalpina und Cisalpina, die in der Fachliteratur als keltisch eingeordnet werden einer kritischen Diskussion, unter Berücksichtigung eines Katalogs aus fünf Kriterien. Dabei wird die Wichtigkeit der Wortbedeutung für die etymologische Bestimmung hervorgehoben. Es wird zwischen echt keltischen und durch das Keltische übertragenen Wörtern unterschieden. Ebenso wird zwischen vor Ort entlehnten Wörtern und Wanderwörtern unterschieden. Für den zu diesem Thema bislang wenig untersuchten oberitalienisch-rätoromanischen Raum konnte ich mit der Doktorarbeit vermittels statistischer Methoden Folgendes aufdecken: bezüglich der Keltizismen-Verbreitung zeigt sich ein deutliches West-Ost-Gefälle (das sich mit den archäologischen, historischen und toponomastischen Ergebnissen deckt) und ein weniger deutliches Nord-Süd-Gefälle. Ungallisch bzw. unkeltisch ist vor allem die Emilia-Romagna (und nicht so sehr, wie die bisherige Literatur glauben macht, das Veneto und Graubünden). Wenn man eine Klassifikation der romanischen Sprachen auf der Grundlage von Entlehnungen zu erstellen versucht (was auch schon versucht worden ist), dann sollte man nach den Ergebnissen dieser Studien, die rätoromanischen Dialekte zusammen mit den oberitalienischen Dialekten jedoch als 1 Einheit und nicht (wie bislang) als separate Einheiten betrachten.
Wer es genauer nachlesen will, hier nochmal die genauen bibliographischen Angaben:
Romania Gallica Cisalpina: Etymologisch-geolinguistische Studien zu den oberitalienisch-rätoromanischen Keltizismen, [Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 311], Tübingen: Niemeyer.
Eine Aspekte werden in folgenden Aufsätzen noch detaillierter diskutiert:
- “In Memoriam Hugo Schuchardt (I): Zur traditionellen Klassifikation des Oberitalienischen,” Grazer Linguistische Studien 47 (1997): 55-66.
- “In Memoriam Hugo Schuchardt (II): Kelto-Zentralromanisches”, Grazer Linguistische Studien 47 (1997): 67-76.
- “Le basi atr- ‘nero’ e alb- ‘bianco’ nella Romania cisalpina (e transalpina): radici latine o prelatine?”, Vox Romanica 59 (2000): 108-115.
- “Das Rätoromanische im Lichte des keltischen Reliktwortschatzes”, Annalas da la Societad Retorumantscha 113 (2000): 85-105.
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