Joachim Grzega's Blog

4. November 2011

10 Jahre Sprachwissenschaft ohne Fachchinesisch

Während Populärwissenschaft hauptsächlich bereits veröffentlichte Fachartikel in eine allgemein verständliche Sprache zu übersetzen versucht, habe ich vor 10 Jahren zum ersten Mal angestrebt, neue wissenschaftliche Erkenntnisse gleich bei der Erstveröffentlichung so zu präsentieren, dass sie einem breiteren Publikum zugänglich sind. Schon damals habe ich versucht auch die Studierenden mit einzubinden. Es wurden mehrere (Klein-)Studien durchgeführt, die ich dann zu einem Werk mit dem Titel Sprachwissenschaft ohne Fachchinesisch: 7 aktuelle Studien für alle Sprachinteressierten (Aachen: Shaker 2001) zusammengetragen habe. Die einzelnen Beiträge werden hier nochmal in knappster Form zusammengefasst.

Der erste Aufsatz (“Deutschländisch und Österreichisches Deutsch: Mehr Unterschiede als nur in Wortschatz und Aussprache”) ist einem meiner älteren Forschungsgebiete gewidmet, dem Österreichischen Deutsch; er zeigt, dass österreichische und deutsche Standardsprache sich nicht nur in Aussprache und Wortschatz unterscheiden, sondern auch in den Bereichen Grammatik, Stilistik, Kommunikationsmuster – auch in formellen Situationen, und zwar sowohl schriftlich als auch mündlich. Dabei unterscheiden sich österreichische Kommunikationsgepflogenheiten auch von bayerischen Gepflogenheiten.

Im zweiten Artikel erfolgen “Einige Anmerkungen zur soziolinguistischen Variable Geschlecht”. Hier wird auf einige Umstimmigkeiten in der damaligen Forschung zur Feministischen Sprachwissenschaft aufmerksam gemacht – dass beispielsweise die Unterscheidung zwischen biologischem und soziologischem Geschlecht unzureichend ist. Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass andere Faktoren wie Beruf, Bildung usw. bei derartigen Studien berücksichtigt werden müssen, da ihnen möglicherweise größeres Gewicht zufällt als der Variable Geschlecht.
Die Vernachlässigung solch weiterer Faktoren lässt sich auch bei Studien zu Sprache und Kommunikation im Alter konstatieren. Daher trägt der dritte Beitrag den Titel “Sprache, Kommunikation und die ältere Generation: Einige Beobachtungen”. Dabei werden in vier Kleinstudien einige mögliche Erschließungen dieses Themenkomplexes aufgezeigt: wie etwa steht die ältere Generation zu Werbe- und Mediensprache, zu Sprachgebräuchen der jüngeren Generation, zu Anglizismen?
Anglizismen, oder genauer: Pseudo-Anglizismen (wie das berühmte Wort Handy für das Gerät, das im Englischen mobile phone oder cell phone heißt), stehen auch im Zentrum des vierten Beitrages, “Zu den pseudo-englischen Fremdwörtern im Deutschen (und zum Einfluss des Englischen auf das Deutsche generell)”. Hier wird unter anderem anhand einer Wörterauswertung gezeigt, dass Jugendzeitschriften nicht der Vorwurf gemacht werden kann, sie verbreiteten “schlechtes oder falsches Englisch”.
Im Aufsatz “Eigentümliche zeitgenössische Schreibgebräuche: Zur Verwendung von Apostrophen und inneren Großbuchstaben” wird versucht, eine Vielzahl von Einzelbelegen zweier moderner Schreibgepflogenheiten, nämlich innere Großbuchstaben (wie ProfessorInnen) und “falsche” Apostrophsetzungen, zu klassifizieren und zu deuten.
Bei diesen ersten fünf Beiträgen werden sprachgeschichtliche Aspekte nur am Rande behandelt. Den Kern bildet die historische Perspektive hingegen in den beiden letzten Artikeln. Zunächst wird im Beitrag “Über Homonymenkonflikt als Auslöser von Wortuntergang” Folgendes demonstriert: Dort, wo der durch normalen Lautwandel bedingte Zusammenfall zweier Wörter als Auslöser für den Untergang eines der beiden erachtet Wörtern wird, wird bei näherem Hinsehen oftmals deutlich, dass andere sprachhistorische Gründe sich eher als Erklärung für den Wortuntergang eignen. Zum Abschluss wird im Aufsatz “Moderne Onomasiologie und die Bezeichnungen für ‘fremd’ und ‘eigen’” vorgeführt, wie faszinierend, aber auch schwierig das Aufdecken von Bezeichnungen für eine Sache in den verschiedenen Sprachen der Welt sein kann – schwierig insbesondere dann, wenn es sich um so abstrakte Dinge handelt wie die Bezeichnungen für ‘fremd’ und ‘eigen’.

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2 Kommentare »

  1. Hallo, wie komme ich zu dem Inhalt dieser Ausgabe. Vor allem der dritte Aufsatz interessiert mich sehr, da ich meine Masterarbeit zum Thema Alterssprache schreibe.

    Kommentar von Ulrike Linsel — 19. September 2012 @ 12:10

    • Ganz normal über die Uni-Bibliothek oder über Amazon. JG

      Kommentar von grzega — 19. September 2012 @ 14:21


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