Joachim Grzega's Blog

23. Dezember 2014

Gedanken zu Weihnachten

Filed under: Varia — Schlagwörter: , , , — grzega @ 22:57

Hier mein Text im letzten EHP-Newsletter :

Gedanken zu Weihnachten

Das EHP wünscht Frohe Weihnachten und dankt vor allem seinen treuen Gästen und Stützen.

Die Weihnachtszeit ist eine Zeit von Texten, die man auswendig und formelhaft verwendet. Wir verwenden sie, ohne nachzudenken, ob die Texte übereinstimmen mit dem Tun in der Gesellschaft, im eigenen Haus und einem selbst.

Papst Franz hat auch neulich wieder zum Nachdenken angeregt, diesmal mit Blick auf Bibeltexte und das Tun im Vatikan.

Doch dieses Nachdenken bietet sich auch bei Liedtexten an – wie jene des deutschsprachigen Chansonniers Udo Jürgens, der am 4. Advent im Alter von 80 Jahren unerwartet verstorben ist. Nicht nur “Merci Chérie” ist in vielen europäischen Ländern bekannt geworden; international populär wurde auch “Griechischer Wein”. Allerdings ging bei Übertragungen in andere Sprachen bisweilen verloren, dass hier von Gastarbeiter-Erfahrungen erzählt wird. Und oft hören wir nicht genau auf den Text, den wir singen. Auch viele der weniger verbreiteten Lieder von Udo Jürgens regen zum kritischen Nachdenken an – über die Gesellschaft und das eigene Leben, über unterschiedliche Formen von Gewalt.

Weihnachten gilt als Fest des Friedens. Das feiern wir, obwohl es doch eigentlich erklärtes Ziel der EU und der UN ist, grundsätzlich Frieden zu halten – nicht nur zu bestimmten Festen. Und dennoch reizen Konflikte und Kriege – wegen Geld, Macht, Ressourcen, Rache und vielleicht auch immer noch Selbstverwirklichung (früher als “Stolz” und “Ehre” bezeichnet). Auch im 21. Jahrhundert ist Europa davor nicht gefeit.

Und gerne geben wir anderen die alleinige Schuld an Konflikten und Kriegen. Das hat auch schon Bertha von Suttner vor 125 Jahren in ihrem Roman “Nieder mit den Waffen” eine ihrer Hauptfiguren aufzeigen lassen. Dort sagt Rudolf zu seinem Gesprächspartner, nachdem dieser andere Menschen und Völker als aggressiv dargestellt hat:

Mit welchem Rechte halten Sie andere Leute für schlechter und unvernünftiger als sich und mich? Da will ich Ihnen ein kleines Märchen erzählen: Vor der geschlossenen Pforte eines schönen Gartens, gar sehnsüchtig hineinschauend, stand ein Haufen Menschen, tausendundeiner an der Zahl. Der Pförtner hatte den Auftrag, die Leute hereinzulassen, falls die Mehrzahl unter ihnen den Einlaß wünschte. – Er rief den Einen herbei: „Sag’ – aber aufrichtig – möchtest Du herein?“ – „O ja, ich schon, aber die andern Tausend sicher nicht.“ Diese Antwort schrieb der kluge Pförtner in sein Notizbuch. Dann rief er einen Zweiten. Der sagte dasselbe. Wieder trug der Kluge unter die Rubrik „ja“ die Ziffer 1, unter die Rubrik „nein“ die Ziffer 1000 ein. Das ging so bis zum letzten Mann. Dann addierte er die Zahlen. Das Ergebnis war: 1001 „ja“, über eine Million „nein“. So blieb das Tor verschlossen, denn das „nein“ hatte eine erdrückende Majorität. Und das kam daher, weil Jeder, statt nur für sich, auch für die Anderen antworten zu müssen glaubte.“

Bertha von Suttner stand mit Alfred Nobel in Kontakt. Beide verabscheuten sie den Krieg. Nobel glaubte zunächst, dass man Menschen durch besonders gefährliche Waffen vom Krieg abschrecken könnte. Er ließ sich von Bertha von Suttner überzeugen, dass gut unterrichtete und wortstarke Bürger sowie ein internationales Schiedsgericht die besseren Friedensgaranten bei drohenden Konflikten seien. Nach ihrem Roman, der zwar heute etwas fern wirkt, aber damals schnell in eine Vielzahl von Sprachen übersetzt wurde, wurde sie eine führende Person der Friedensbewegung. Sie hielt Vorträge in ganz Europa. Sie wurde 1905 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, starb vor 100 Jahren und ziert heute die österreichische 2-EUR-Münze. Eines ihrer Zitate: “Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut soll immer wieder mit Blut abgewaschen werden.“ Nicht nur zum Fest des Friedens sollten wir uns solcher Worte erinnern.

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1 Kommentar »

  1. Lieber Joachim Grzega, ich wünsche mir viel mehr Menschen wie Sie und Bea in der Welt. Es würde uns allen deutlich besser gehen! Danke für diesen nachgdenklichen Beitrag!

    Kommentar von jeanpol — 24. Dezember 2014 @ 10:51


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